In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert, schon im Herbst seines Lebens, besuchte der Komponist Jaques Offenbach Dinant. Diese wunderschöne Stadt an der Maas sollte ihn anregen und beflügeln bei der Suche nach neuen musikalischen Herausforderungen. Und sie tat es. Der ruhig dahinfließende Strom, die sich leicht wiegenden Schiffe und Boote, ein venezianisches Schifferlied, all das ließ in seinem Kopf eine wunderschöne, ruhige Melodie entstehen, die in seiner Oper „Hoffmanns Erzählungen“ als Barcarole Weltruhm erlangte.
Das Städtchen Dinant, in den Belgischen Ardennen in der Wallonie gelegen, kam im 12. Jahrhundert zu Wohlstand und Ansehen. Hatte man doch in unmittelbarer Nähe das zinkhaltige Erz Galmei entdeckt, welches, zusammen mit Kupfer, zur Herstellung von Messing verarbeitet wird. Mit der kunstvollen Fertigung und dem schwunghaften Handel von Messingartikeln erwarb man sich in Europa bald einen guten Namen. Kriegerische Auseinandersetzungen brachten dieses Handwerk im 15. Jahrhundert dann aber weitgehend zum Erliegen. Heute lebt man überwiegend vom Tourismus. Und für den hält man einen farbenfrohen Strauß von bemerkenswerten Sehenswürdigkeiten bereit.
Meine Frau und ich brauchten bis Dinant von Gemünd aus 2 ¼ Stunden. Eigentlich zu weit für eine Tagestour. Aber so ein Panoramafoto von der Charles de Gaulle-Brücke im Vordergrund, der Stiftskirche Notre-Dame de Dinant dahinter und der darüber liegenden Zitadelle mit einem Text des Verfassers, dass es sich hierbei wohl um „das sehenswerteste Ausflugsziel in der Wallonie, an der Maas und, überhaupt, in ganz Belgien“ handele, macht eben neugierig. Und das waren wir!
Zuerst bestaunten wir auf der linken Seite der Maas eine 2,5 m große Kupferstatue von Charles de Gaulle, der als Soldat im ersten Weltkrieg bei einem deutschen Fliegerangriff auf Dinant verletzt wurde. An diese furchtbare Zeit erinnert ein beeindruckendes Denkmal im Innenhof des Rathauses. Wir querten die Maas über die Pont Charles de Gaulle. Eine Brücke, geschmückt mit einer Vielzahl von Flaggen und überdimensional großen, bunten Saxophonen. Die Instrumente stehen dort zu Ehren des Komponisten Adolphe Sax, dem Erfinder des Saxophons. Regelmäßige Konzerte erinnern an den berühmten Sohn der Stadt, der als Statue auf einer Bank vor dem Saxophon-Museum sitzt und seine Gäste begrüßt. Und als weitere Würdigung seiner Verdienste steht am Anfang der „Rue Adolphe Sax“ unübersehbar das Saxophonmonument. Ach ja, im Innenhof des altehrwürdigen, die Backsteinfassade üppig mit Efeu bewachsenen Rathauses, steht auch noch ein mehr als drei Meter großes Saxophon – aus Glas! Ehre, wem Ehre gebührt! Während unseres Stadtbummels konnten wir uns kaum sattsehen an den bunten Bürger- und Jugendstilhäusern, die dicht gedrängt die Stadt und das Maasufer schmücken. Kein Wunder, dass Dinant regelmäßig den ersten Platz als fotogenste Stadt Belgiens ergattert.
Weiter schlenderten wir zur Stiftskirche Notre-Dame von Dinant, quasi dem Mittelpunkt der Stadt. Diese im gotischen Stil erbaute Kathedrale aus dem 13. Jh., unmittelbar vor der riesigen Felswand, machte uns sprachlos. Ist sie schon von außen mit ihrem Zwiebelglockenturm und ihren reich verzierten Eingangsportalen ein Hingucker, so überrascht die dreischiffige, barocke Kirche im inneren. Die aufwendigen Arkaden, auf mächtigen, unübersehbaren Säulen ruhend, hielten uns in Atem. Wir bestaunten eines der größten Kirchenfenster Europas, den vergoldeten Altar im neugotischen Stil, wunderschöne Gemälde sowie historische Kupfer- und Messingarbeiten – wie etwa die Kronleuchter – aus stadteigener Handwerkerkunst. Übrigens gehen alle Ursprünge dieser bemerkenswerten Kirche wohl auf St. Maternus aus dem 4. Jh. zurück, der u. a. auch der Schutzpatron der Weinreben ist …
Nach diesem Ort der Ruhe und Besinnung erstürmten wir die Zitadelle. Die Festung liegt zwar gleich hinter der Kathedrale, aber immerhin 100 m höher auf einem Felsplateau. Und da hinauf führt eine in das Gestein geschlagene steile Treppe mit 408 Stufen. Dieser recht abenteuerliche Aufstieg bremste unseren Eifer augenblicklich und ließ uns nach einer Alternative Ausschau halten. Und die bot sich in Form einer Seilbahn. Das war jetzt nicht gerade stürmisch, dafür aber bequem. Vorbei an zwei historischen Mörsern betraten wir die Zitadelle, deren wehrhafte Mauern man schon von unten erahnte und wurden mit einer traumhaften Aussicht auf Dinant und das schöne Maastal belohnt. Eine Burg stand hier wohl schon im 11. Jh. Mehrfach wurde sie zerstört und wieder aufgebaut. Ihre jetzige Form erhielt sie um 1820 während der Zugehörigkeit zu Holland. Heute befindet sich in der Anlage ein beachtenswertes Museum. Bei unserem Rundgang erfuhren wir viel über die nicht immer einfache Geschichte von Dinant und lernten neben dem Waffenmuseum die historischen Wirtschaftsräume der Soldaten aus längst vergangener Zeit bis hin zum 2. Weltkrieg kennen.
Noch tief beeindruckt von dem Erlebten schwebten wir wieder dem Städtchen entgegen, suchten uns eines der vielen Straßenrestaurants an der Maas für eine kleine Stärkung aus und waren uns bei einem Glas Leffe schnell einig: Diese charmante und pittoreske Stadt war die etwas längere Anreise allemal wert gewesen. Und da wir uns noch vieles anschauen wollten, wie z. B. das Leffe-Museum, die Grotte oder auch den Rocher Bayard, würde uns unser Weg bestimmt bald wieder einmal nach Dinant führen.
Erstmals erschienen im „Schleidener Wochenspiegel“ unter der Rubrik „Schon mal dort gewesen?“.