Dorf Tirol

Seit Menschengedenken führt kein Weg am Apfel vorbei. In der griechischen Mythologie stritten bereits die Göttinnen Aphrodite, Hera und Athene um einen Apfel mit der unseligen Beschriftung „der Schönsten“ und verschuldeten eifersüchtig mit diesem „Zankapfel“ letztlich den Trojanischen Krieg. Die Germanen suchten Schutz unter dem Apfelbaum und im 12. Jh. hielt man das Paradies für einen großen Apfelpark. Die Kelten verehrten den Apfel als Zeichen der Erkenntnis und sahen in ihm die Kurven und Reize des Weibes. Und die Geschichte von Adam und Eva mit dem Apfel im Paradies ist hinlänglich bekannt. Ursprünglich aus Kasachstan fand der Apfel seinen langen Weg über China und Griechenland ins westliche Europa. Und so werden alleine in Süd Tirol heute auf rd. 18.000 ha Fläche etwa 950.000 t Äpfel geerntet!

Seit mehr als 35 Jahren machen meine Familie und ich Urlaub in Dorf Tirol. Meist im Herbst zur Törggelezeit, aber auch schon mal im Frühjahr. Denn zu jeder Jahreszeit versprüht das zauberhafte, mehr als 800 Jahre alte Dörfchen mit seinen kultivierten Apfelplantagen und Weingärten seinen besonderen Charm. Und mit rd. 300 Sonnenstunden verwöhnt es seine Gäste obendrein. Bei einem gemütlichen Spaziergang auf dem ausgeschilderten Weinweg oder dem mit informativen Erläuterungen versehenen Apfelweg erfährt man dann auch viel Interessantes über den Ort, die hiesigen Winzer mit ihrem 60 ha großen Weinbau und die Apfelbauern mit 250 ha Apfelwiesen. Sehr zu empfehlen!

Natürlich hat die Gemeinde in ihrer bemerkenswerten Ausdehnung von 300 Höhenmetern kurz über Meran bis 3.000 Höhenmetern auf dem Berg Tschigat noch viel mehr zu bieten. So z. B. ihren Hausberg, den Hochmuth. Früher gingen wir zu Fuß hinauf (und wieder hinunter), heute fahren wir mit der Seilbahn zur 1.400 m hoch gelegenen Bergstation. Mutige steigen dann weiter hinauf zur Mutspitze oder wandern zu den Spronser Seen. Wir freuen uns stattdessen immer über die Einkehr in einem der gemütlichen Gasthöfe und, ein kühles Blondes aus der Forst-Brauerei genießend, die einzigartige Sicht auf die umliegenden Täler und Berge. Einfach fantastisch! Drunten im Ort blüht derweil der Fremdenverkehr. Und so gibt es neben den vielen Hotels, Pensionen, behaglichen Gasthöfen und Cafés natürlich etliche Einkaufsmöglichkeiten für jeden Geschmack und jeden Brustbeutel. Und mittendrin steht die mehr als 850 Jahre alte Pfarrkirche zum Hl. Johannes d. T. Ein in romanischem und gotischem Stil errichtetes Bauwerk, hochdekoriert mit sehenswerten Fresken, Bildern, einem Taufstein aus weißem Laaser Marmor und weiteren kostbaren Kunstwerken.

Über den nahen Schlossweg gelangt man dann zur bedeutendsten Festung Südtirols, dem Schloss Tirol. Majestätisch thront diese erhabene, mehr als 900 Jahre alte Burg hoch über Dorf Tirol und dem Meraner Talkessel. Ist erst einmal der Aufstieg zum Stammhaus der Grafen und Herrscher von Tirol geschafft, so wird man von einer hervorragend restaurierten Burganlage mit einer Fülle von historischen Attraktionen empfangen. Rittersaal, Kaisersaal, Wand- und Glasmalereien sind kunsthistorische Highlights romanischen und gotischen Ursprungs. Der Besuch der Pankratius-Kapelle, wegen ihrer beeindruckenden Fresken auch häufig „Sixtinische Kapelle Südtirols“ genannt, ist schon fast ein Muss. Das in diesen historischen Mauern beheimatete Südtiroler Landesmuseum für Kultur- und Landesgeschichte veranstaltet viele spannenden Ausstellungen und interessante Präsentationen. Gleich angrenzend an das Schloss hat sich ein Vogelpflegezentrum etabliert. Vogelfreunde können sich bei einem Rundgang auf einem Botaniklehrpfad mit etlichen Volieren über das Leben der Greifvögel informieren sowie sie bei täglichen Flugvorführungen beobachten.

Gerne wandern wir dann weiter, vorbei an der Pfarrkirche St. Peter sowie dem Schloss Thurnstein, hinunter nach Thurns und über den Tappeinerweg nach Meran. Wobei uns dieses kleine Gotteshaus St. Peter, immerhin eine Kreuzkuppelkirche, stets zur Einkehr einlädt. Als eine der ältesten Kirchen Südtirols weist sie Fresken und beeindruckende Malereien sämtlicher bedeutender Stile auf.

Übrigens, zur Pfarrgemeinde gehört u. a. der Ort Pfelders im Hochland der Texelgruppe, diesem Teil der Ötztaler Alpen. Verstarb dort jemand im Winter, konnte der Leichnam erst mit Einsetzen der Schneeschmelze über den „Totenweg“, vorbei an den Spronser Seen, zur Beisetzung in die Kirche St. Peter gebracht werden. Oft ein mühsamer Tagesmarsch.

Empfehlenswert ist auch ein Spaziergang über den Falknerweg und den Brunnenburg-Steig zur Brunnenburg. Eine hochmittelalterliche, prächtige und stolze Burg aus dem 13. Jh. Mitten im Hang gelegen, war ihre Aufgabe wohl der Schutz von Schloss und Dorf. Heute beherbergt sie ein bedeutendes Landwirtschaftliches Museum. Auch ein Streichelzoo erfreut vor allem die Kinder.

Da Dorf Tirol sehr zentral liegt, sind die umliegenden Städte, Dörfer, Berge und Täler leicht zu erreichen. Uns ist es jedenfalls bisher noch nicht einen Tag langweilig geworden. Und so freuen wir uns auf hoffentlich noch viele Urlaube in dieser wunderschönen Berg- und Wanderwelt.

Foto und Text: Michael Usadel

Erstmals erschienen im „Schleidener Wochenspiegel“ unter der Rubrik „Schon mal dort gewesen?“.

Share on Facebook
Share on Twitter
Share on Pinterest
Share on WhatsApp
Related posts
Comments