Ein zartes Band der Liebe umgab sie: Maria Partechipazio, Tochter aus begütertem Hause, und den Troubadour Tancredi. Allerdings würde man die Zustimmung ihres Vaters für diese Verbindung nur über Rhum und Ehre ihres Galans erreichen können. Und so beschlossen die beiden Liebenden, dass sich Tancredi dem Heer Karl des Großen im Kampf gegen die Araber verdingen sollte. Und tatsächlich waren sein Heldentum und seine Tapferkeit bald in aller Munde. Doch eines Tages verließ ihn das Kriegsglück und tödlich getroffen sank er in einen Rosenstrauch. Mit letzter Kraft pflückte er eine bereits mit seinem Blut befleckte Blüte und übergab sie seinem Kameraden Orlando mit der Bitte, die Todesnachricht seiner Liebsten zu überbringen und ihr als letzten Gruß die Rose zu überreichen. Kummervoll eilte Orlando nach Venedig und überbrachte Maria die traurige Nachricht. Mit der Rose auf ihrer Brust fand man sie am nächsten Morgen, dem Markustag, verstorben an gebrochenem Herzen. Seitdem ist es in Venedig ein wunderschöner Brauch, seiner Liebsten am Markustag, dem 25. April, eine rote Rose zu schenken.
Venedig ist die bezauberndste und faszinierendste Stadt der Welt. Das war natürlich nicht immer so. Begonnen hatte alles im 5. Jh. n. Chr. mit den barbarischen Hunnen. Immer furchtbarere Überfälle Attilas zwangen die Küstenbewohner zur Flucht auf die sicheren, vorgelagerten Lagunen. Und dort, auf knapp 120 kleinen Inseln im seichten Binnenmeer begann man mit dem Bau neuer Wohnhäuser. Weil der Baugrund aber nicht überall fest genug war, rammte man als zusätzliches Fundament Pfähle in den sandigen Boden. Und so entstand über viele Jahrhunderte diese wunderbare, legendäre Inselstadt, gegründet auf Millionen von stahlharten Holzstämmen.
Bei strahlend blauem Himmel landeten meine Frau und ich auf dem Flughafen Marco Polo, benannt nach einem der berühmtesten Söhne der Stadt. Ein schmuckes, mit Mahagoniholz beplanktes, einer Riva ähnelndes Wassertaxi brachte uns anschließend zum Hotel. Allerdings durfte ich leider nicht, wie seiner Zeit Commissario Brunetti, vorne stehen. Trotzdem waren die ersten Eindrücke geradezu überwältigend. Wir konnten uns nicht sattsehen, wissend, dass wir die Perle der Adria mit ihrem unermesslichen Motivreichtum, dem schon berühmte Meister wie Tizian oder Canaletto erlegen waren, nicht in drei Tagen kennenlernen würden. Bei einem Spritz, einer kleinen Portion Cicchetti und einem traumhaften Blick auf den Canale Grande beschlossen wir als erstes, den Abend in Harry´s Bar ausklingen zu lassen. Nach einem hervorragenden Abendessen und einigen Bellini wurde uns schnell klar, warum etwa Orson Welles oder Ernest Hemingway in dieser Bar Stammgäste waren. Salute!
Unseren Städtetrip begannen wir mit einem Cappuccino auf dem Markusplatz, was ein weiteres Loch in unsere Urlaubskasse riss. Der Besuch der Basilika San Marco schloss sich praktischerweise gleich an. Sie ist eine der prächtigsten Kreuzkuppelkirchen Italiens im Gotischen und Byzantinischen Stil mit einer farbenprächtigen, üppigen sakralen Ausstattung in Marmor und Gold. Gleich daneben erhebt sich der Dogenpalast aus dem 9. Jh. Ein beeindruckendes Bauwerk aus Gotik und Renaissance mit einer hochinteressanten Historie. Obwohl, auch die Geschichte vom Schwerenöter Casanova, der seiner, heute noch gut erhaltenen, Zelle im Palast entfliehen konnte, hat bei mir Eindruck hinterlassen. Und als wir dann mit einer Gondel, wie frisch Verliebte, unter der Seufzerbrücke hindurch fuhren, wollte ich ihm nicht nachstehen und ich küsste meine Frau zum Zeichen großer Liebe. Überhaupt, in Venedig ist man ständig umgeben von Liebe und Romantik. Und so reservierten wir für den Abend auf der gegenüber liegenden Insel Guidecca einen Tisch in einem Restaurant, beliebt wegen einer in die Lagune hinausgebauten Terrasse. War das Menü schon eine Offenbarung, so war die wunderbare, atemberaubende Aussicht über den Bacino di San Marco hinweg auf das hellerleuchtete Venedig mit dem Markusplatz, dem Dogenpalast und den vielen weiteren Prachtbauten unbezahlbar. Romantischer und schöner geht nicht.
Natürlich stromerten wir durch sämtliche sechs Stadtteile, überquerten die allgegenwärtigen Kanäle über eine Vielzahl der mehr als 400 Brücken und entdeckten ständig reizende Gassen, charmante Plätze und historische Gebäude. Und immer wieder führte uns unser Weg zum Canale Grande, der sich über ca. 4 km mitten durch die Stadt schlängelt. Diesen legendären Kanal lernten wir in einem der vielen Vaporetti, einem Wasserbus, kennen. Mit dem Vaporetto fuhren wir unter der mehr als 400 Jahre alten Rialtobrücke hindurch, die, auf immerhin rd. 12.000 Erlenstämmen gegründet, die erste von vier Brücken über den Canale Grande war. Venedig stieg im 15. Jh. auf zum bedeutenden Mittelpunkt internationalen Handels und Wandels. Und so spiegeln sich noch heute, zu beiden Seiten des Canale Grande, ihr Reichtum und ihr Wohlstand wider in den prunkvollen Adelshäusern und Kirchen im Stil des Barocks, der Gotik und der Renaissance.
Mit diesen fast ehrfürchtigen Eindrücken beendeten wir unseren Venedig-Tripp. Zurück zum Flughafen brachte uns wieder ein Wassertaxi, dessen Driver ebenfalls freundlich darum bat, doch im Fonds sitzen zu bleiben …
Erstmals erschienen im „Schleidener Wochenspiegel“ unter der Rubrik „Schon mal dort gewesen?“.