Das Kirchenschiff der St. Severin-Kirche in Keitum ist Anfang des 12. Jahrhunderts wohl mit Hilfe des Dänenkönigs Knut gebaut worden. Was dann aber fehlte, war ein Kirchturm. Und der konnte Mitte des 15. Jahrhunderts durch die finanziellen Mittel von Ing und Dung, zweier Nonnen, auch noch errichtet werden. Zwei im Mauerwerk eingelassene Granitsteine erinnern noch heute an die Damen. Wie das in einer Bauphase aber oft so ist, gab es damals heftigen Streit zwischen den Nonnen als Bauherrinnen und der Gemeinde Sylt. Ob es nun um das Kurzarbeitergeld, die Berufsgenossenschaft oder etwa die Arbeitszeitverordnung ging, ist nicht überliefert. Auf jeden Fall kamen die Nonnen nicht gegen die geballte Macht der Behörden an und belegten grimmig das Bauwerk mit dem Fluch, dass der schönste Jüngling der Insel einmal von einer herabstürzenden Glocke erschlagen und die schönste Maid einmal unter dem einstürzenden Turm begraben werden soll. Tatsächlich ist am zweiten Weihnachtstag des Jahres 1739 die Glocke einem wunderschönen Jüngling auf den Kopf gefallen und hat ihn niedergestreckt. Weil nach der Erfüllung des ersten Teils des Fluches niemand mehr durch das Turmportal in die Kirche treten wollte, mauerte man den Turm für viele Jahre zu und schuf einen Nebeneingang zum Kirchenschiff. Bis heute, so wird erzählt, begegnen die jungen Frauen von Sylt dem Kirchturm mit großem Respekt und bestenfalls nur von Weitem.
Sylt, auch „Königin“ genannt, ist mit ihren 12 Orten auf ca. 99 Quadratkilometern die größte und nördlichste der nordfriesischen Inseln. Sie hat 18.000 Einwohner und beherbergt jährlich mehr als 950.000 Gäste, die nun wirklich nicht alle schön und reich sind. Die vielen Urlauber verteilen sich auch in beliebigem Abstand über den ca. 40 km langen Weststrand recht unauffällig. Überdies laden umfangreiche Wander- und Radwege entlang der Dünen, den Kliffs und den Deichen dazu ein, das paradiesische Eiland kennen zu lernen. Für die Unterbringung der Gäste wird in der Bandbreite von kleinen Ferienwohnungen, über Campingplätze und Jugendherbergen bis hin zu luxuriösen Hotels alles geboten. Die Preise passen sich durchaus den Bedürfnissen der Gäste an. Obwohl, bei den enthemmten Immobilienpreisen und Mieten kann man schon mal ins Grübeln kommen. Da hat man wohl bei der Christianisierung der Insel im 11. Jahrhundert nicht richtig zugehört. Die Gier gehörte auf jeden Fall schon damals nicht zu den christlichen Eigenschaften des Menschen.
Im Februar am Petritag brennen sie wieder, die Biikefeuer. Die Geschichte des Biikebrennens hatte zuerst einen heidnischen Ursprung. Viel später dann entzündete man die weit sichtbaren Feuer am Strand zur Verabschiedung der Grönlandfahrer, die zum Walfang hinausfuhren. Spötter behaupteten aber auch gerne, dass die auf der Insel verbliebenen Frauen nur kundtun wollten, dass die Luft rein sei …
Zu jener Zeit errichteten sich die zu einigem Wohlstand gelangten Kapitäne gerne in Keitum standesgemäße, reetgedeckte, von typischen Friesenwällen umgebene, Wohnhäuser und machten den Ort bald zum Mittelpunkt der Insel. Das Dorf mit seiner Kirche und dem dazugehörigen edel angelegten Friedhof mit sehenswert restaurierten Grabplatten begüterter Kapitänsfamilien („Sprechende Steine“) ist immer einen Besuch wert. Das malerische Örtchen mit seinem uralten Baumbestand lässt selbst den anspruchsvollsten Gast ins Schwärmen geraten, wenn er durch die charmanten, gepflegten Gassen und historischen Alleen, vorbei an Restaurants, Cafés und Boutiquen schlendert. Nicht zuletzt tragen aufwändig und liebevoll restaurierte bis zu 300 Jahre alte Friesenhäuser, gerahmt von mit Rosen, Stauden und farbigsten Blumen geschmückten Vorgärten, dazu bei, dass dieses Dorf wohl das schönste der Insel ist.
Nach Sylt reist man per Flugzeug, per Fähre (über Dänemark) oder – mit und ohne Auto – per Zug (Hindenburgdamm). Mit dem Zug reisen auch notgedrungen täglich 4.500 Pendler an, die auf Sylt ihrer Arbeit nachgehen und schon lange keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden. Hier hat die Inselverwaltung wohl noch großen Nachholbedarf.
Vorhergesehen hat das zu Beginn des 20. Jahrhunderts niemand. Männlein und Weiblein badeten, züchtig verhüllt in langer Badebekleidung – an getrennten Strandabschnitten. Die (Bade-) Welt war in bester Ordnung. Und heute gibt es reichlich Nacktbadestrände, allen voran die „Buhne 16“, die ein textilfreies Miteinander pflegen. Da kann es schon mal passiere, dass man sich abends im Restaurant nicht wiedererkennt …
Westerland ist zur lebhaften, beliebten und abwechslungsreichen Metropole von Sylt geworden. Mehrere Einkaufsmailen, Klubs, Bars, Restaurants, Cafés und unzählige Boutiquen und Geschäfte prägen das Stadtbild. Gepflegte Strandabschnitte mit aufwändiger Strandpromenade gehören ebenso zum Ambiente wie die Discos und Kneipen für die abendliche Unterhaltung. Und wer mag, verzockt im Spielkasino seine Urlaubskasse …
Eigentlich hätten es alle 12 Orte und die Wanderdüne und der Ellebogen und die Häfen, und … verdient, von mir beschrieben zu werden. Das haben aber schon viele Autoren vor mir getan. Vermutlich auch besser. Jedes Dorf, jeder Landstrich hat seine Besonderheiten und bietet den Gästen Wohlbefinden und Erholung. Es lohnt sich ganz bestimmt, einmal auf Sylt Urlaub zu machen. Vielleicht gehören Sie ja bald auch zu denen, die jährlich wiederkommen. Es würde mich freuen.
Rüm Hart, Klaar Kimming.
Erstmals erschienen im „Schleidener Wochenspiegel“ unter der Rubrik „Schon mal dort gewesen?“.