
Diese kleine Stadt kann auf eine große, bewegte Vergangenheit zurückblicken. Einstmals eine römische Ansiedlung, war Meran im späteren 15. Jh. Hauptstadt von Tirol. Dann ging es Anfang des 19. Jh. Schlag auf Schlag. Nach dem Sieg Napoleons über Österreich fiel Meran an Bayern. Die Tiroler ließen das nicht lange auf sich sitzen und erkämpften sich die Zugehörigkeit zu Italien. Im Zuge der Befreiungskriege kam Meran dann wieder zu Österreich um nach dem ersten Weltkrieg nun endgültig zu Italien zu gehören.
Meran ist ein historisches Städtchen, das, gut geschützt von ca. 2.000 m hohen Alpenspitzen, mit seinem milden Klima und seiner südländischen Vegetation besticht. Das erkannten auch schon die ansässigen Kaufleute, die zukunftsorientiert im Jahre 1855 die weltweit zweite Kurverwaltung überhaupt gründeten. Dass nun Ihre Hoheit Kaiserin Elisabeth von Österreich, Apostolische Königin von Ungarn sowie Königin von Böhmen und Kroatien im Jahre 1870 ihren ersten Kuraufenthalt in Meran verbrachte, war kein Zufall. Sissi, wie sie liebevoll genannt wurde, hatte von der Ruhe und dem mediterranen sowie heilsamen Klima der kleinen aufstrebenden Stadt gehört. Und außerdem erleichterte die neue Brennereisenbahn eine Anreise deutlich. Auch gehörte Meran zu dieser Zeit zu Österreich, was die Sache zusätzlich vereinfachte. So richtete sie sich mit ihren beiden Töchtern, von der die jüngste arg schwächelte, für immerhin sieben Monate im Schloss Trauttmannsdorff ein und konnte bald von der sich abzeichnenden Genesung der Kleinen berichten. Nachdem die Zeitungen freudig in großer Aufmachung über diesen wunderbaren Heilungsprozess berichtet hatten, nahm der Tourismus im „Luftkurort“ Meran gehörig Fahrt auf. Noch dreimal weilte Sissi in der Stadt, was ihr die Stadtväter zu danken wussten. Eine Statue, Skulpturen, ein Sissi-Weg, der Elisabeth-Park, um nur einiges zu nennen, sind Wertschätzung dafür, dass Meran in dieser Zeit zu einem der beliebtesten Ferienziele Europas wurde.
Meine Familie und ich verbringen nun schon seit mehr als 30 Jahren unsere Herbstferien unweit in Dorf Tirol. Traditionell geht dann unsere erste Wanderung vorbei am Tiroler Schloss, der Kirche St. Peter und dem Schloss Thurnstein hinunter nach Gratsch zum 5,5 km langen Tappeinerweg. Dieser Weg durch die Weinberge oberhalb Merans zählt zu den attraktivsten Promenaden Europas und wurde von dem Kurarzt Franz Tappeiner vor rd. 140 Jahren in Auftrag gegeben. Jede Biegung auf dem üppig mit mediterranen Pflanzen liebevoll angelegte Gehsteig gibt einen anderen grandiosen Blick frei auf die im Tal liegende Stadt Meran, die eingebettet ist in schneebedeckte Gebirgszüge der Alpensüdseite. Nach ca. 1,5 Stunden erreichen wir als nächstes die Passerpromenade. Eine gepflegte, mondäne Flaniermaile mit etlichen Cafés, Eisdielen und kleinen Boutiquen und dem Wahrzeichen der Stadt Meran, dem Kurhaus. Ein historischer Prachtbau im Jugendstil, mit dem Mädchenreigen auf dem Vorbau und einer zeitlosen Eleganz im Inneren. In Ihm finden regelmäßig Konzerte, Ausstellungen, Theaterabende und Musikfestivals internationaler Klasse statt.
Die Stadt ist randvoll mit unvergesslichen Eindrücken. Da gehört es natürlich zum Pflichtprogramm, einen Bummel durch die Laubengasse zu machen, die Graf Meinhard II., Regent der Grafschaft Tirol, im 13. Jh. erbauen ließ. Er ordnete an, dass sie um 100 Schritt länger zu sein hatte, als die Bozener Laubengasse und sollte den Kornplatz mit dem Pfarrplatz verbinden. Rechts und links der Gasse entstand eine dreistöckige Häuserzeile mit entsprechend vorgebauten Lauben. Hier weicht nun die Eleganz des Kurviertels zusehends der mehr als 800 Jahre alten Tradition der Altstadt. Und so findet man in der Gasse Läden, Boutiquen, Geschäfte, Restaurants und Cafés in unüberschaubarer Zahl, die einem beherzten Shoppingvergnügen Tür und Tor öffnen – solange die Urlaubskasse reicht. Wir sitzen dann gerne in einem der vielen Straßencafés und beobachten, analysieren und bewerten (…!) die vielen Touristen, die an uns vorbei hinauf und hinunter spazieren. Ein spannendes aber auch zeitraubendes Vergnügen.
Ehe wir aus Konditionsgründen den rettenden Sessellift nach Dorf Tirol ansteuern, freuen wir uns immer auf dem Pfarrplatz auf die vielen, ansprechenden Marktstände. Und fündig werden wir da auch jedes Mal. Dann werfen wir noch gerne einen Blick in die St. Nikolauskirche, deren 78 m hoher Kirchturm schon vom Tappeinerweg aus neugierig macht. Ein imposanter spätgotischer Bau aus dem 15. Jh. mit immerhin neun Glocken. Sehenswert sind im Inneren u. a. die schönen Fresken, die Skulpturen und der gotische Chor.
Nach dieser kleinen Besinnung geht es dann zum Sessellift, der uns auf der geruhsamen Fahrt zur Bergstation noch einmal mit schönen Ausblicken auf Meran und die Weinberge verwöhnt.
Erstmals erschienen im „Schleidener Wochenspiegel“ unter der Rubrik „Schon mal dort gewesen?“.