Cuxhaven

Hoffnungslos zu klein geworden war der Hamburger Hafen für die damals riesigen Schiffe der Cunard- und der Hapag-Reederei. Und so entschloss man sich Anfang des 20. Jh. zum Umzug nach Cuxhaven. Zwar mussten im noch recht kleinen Hafen die Kaianlagen vergrößert, ein Hafenbahnhof errichtet sowie für die Abfertigung die Hapag-Hallen gebaut werden, dafür konnten dann aber bald Dampfer, wie die „Deutschland“, die „Imperator“ oder die „Augusta Victoria“ – zu ihrer Zeit die größten Schiffe der Welt – ab Cuxhaven mit unzähligen Auswanderern an Bord den Atlantik Richtung „neue Welt“ überqueren. Bald nannte man den neuen Amerikahafen voller Ehrfurcht „Kai der Tränen“, an dessen Pier die Hoffnung und der Trennungsschmerz fast eins waren. Übrigens kam Albert Ballin, der damalige Generaldirektor der Hapag-Reederei 1891 auf die Idee, die „Augusta Victoria“, ein im Winter nicht ausgelastetes Schiff der Amerika-Linie, ab Cuxhaven für eine „Lustreise in den Orient“ einzusetzen und hat damit die weltweite Kreuzfahrt aus der Wiege gehoben. Der Luftverkehr, und der inzwischen moderne Hamburger Hafen, haben heute das Steubenhöft – so der offizielle Name der Fahrgastanlage – mit seinen imposanten Bauwerken in einen Dornröschenschlaf versinken lassen.

Meine Frau und ich lieben Cuxhaven. Schon seit mehr als vier Jahrzehnten lässt uns diese kleine maritime Stadt an der Elbmündung – tatsächlich aber das größte Seebad an der Nordsee – den grauen Alltag vergessen. Angefangen hat alles in einem Hotel mitten im Hafenviertel. Just bei unserer Ankunft machten sich dort in der Hotelbar zwei Trauergemeinden miteinander bekannt, denen an diesem Tag eine Seebestattung ihrer verblichenen Lieben ob zu hohen Wellenganges verwehrt worden war. Man vereinte sich in tiefem Leid und sorgte bei einem feucht-fröhlichen Gelage für einen besonderen Seegang – diesmal ohne Kutter.

Klar, als erstes lernten wir in Cuxhaven die „Alte Liebe“ kennen, eine hölzerne, zweigeschossige Plattform aus dem 18. Jh., von der man einen wunderbaren Blick auf die Elbmündung hat. Ob drei alte Schiffe, eines mit dem Namen „Die Liebe“ tatsächlich als Baugrund gedient haben, lässt sich nicht sicher klären. Auf jeden Fall wird einem auf diesem Podest nicht langweilig bei jährlich mehr als 30.000 Schiffen, die Cuxhaven passieren. Obendrein erläutert der Schiffsansagedienst Cuxhaven e.V. alles Wissenswerte über die wirklich nah vorbeifahrenden Pötte. 

Unmittelbar vor der „Alten Liebe“ steht eine nicht zu übersehende ca. 16 m hohe Eisenkonstruktion mit den weit sichtbaren Großbuchstaben „B“ und „H“. Das Gestell ist ein „Windsemaphor“ aus dem 19. Jh. und übermittelte den vorbeifahrenden Schiffen die Winddaten auf Borkum und Helgoland. Dass es sich stattdessen um Informationen bzgl. der Fanggründe von Bücklingen und Heringen handelte, war wohl wieder nur Seemannsgarn …

Signalrot, nur einen Steinwurf entfernt im „Alten Hafen“, liegt sie fest vertäut, die ELBE 1. Sie war das letzte Feuerschiff – quasi ein schwimmender Leuchtturm – in der Elbmündung, übermittelte wichtige Wetterdaten und wies der Schifffahrt den rechten Weg. Dieses historische Schiff – eigentlich die „BÜRGERMEISTER O`SWALD“ – wurde 1988 außer Dienst gestellt, kann besichtigt, aber auch für Trauungen gebucht werden und ist, von einem Förderverein liebevoll betreut, noch heute seetüchtig.

Auch Schloss Ritzebüttel mitten in der Stadt ist ein Magnet. Eine prächtige Residenz in norddeutscher Backsteingotik in einem nicht minder gepflegten Park. Ehemals Hamburgischer Amtssitz, ist das Schloss heute ein sehenswertes Museum.

Im folgenden Jahr hatten wir uns im Kurteil Döse einquartiert. Von unserem Hotel aus war es nicht weit bis in die Grimmershörner Bucht mit ihrem beliebten Grünstrand und dem sich anschließenden Wahrzeichen, und damit auch Wappenmotiv von Cuxhaven: der Kugelbake. Ein aus Holz errichtetes ca. 30 m hohes Seezeichen an der Elbmündung. Seit Anfang des 18. Jh. diente diese Bake der Seeschifffahrt. Heute hat sie ihre Bedeutung verloren und steht unter Denkmalschutz. Schiffe im Hintergrund, anderes Wetter, andere Tageszeit, anderer Blickwinkel …  glauben Sie mir, es gibt immer wieder Gründe, von diesem schönen Motiv ein Foto zu machen! Übrigens, von der Kugelbake bis zum Kurort Duhnen erstreckt sich eine ca. 3 km lange, barrierefreie Strandpromenade. Kleine Restaurants und Cafés, viele Sitzgelegenheiten, ein Spielplatz, ein Freibad und vieles mehr säumen diese attraktive Promenade.   

Unseren nächsten Aufenthalt buchten wir im Kurteil Sahlenburg. Eingerahmt von der Sahlenburger Heide und dem Wernerwald ein sehr grünes Fleckchen Küste. Es gibt u. a. ein Waldfreibad, einen Abenteuerspielplatz und ein Wattenmeer-Besucherzentrum. Auch sind Wattwagenfahrten nach Neuwerk sehr beliebt. Allerdings war für uns eine Wanderung an der Küste entlang nach Cuxhaven mit einer Dauer von rd. drei Stunden doch schon recht sportlich.

Den Kurteil Duhnen hatten wir uns für den vierten Aufenthalt vorbehalten. Das charmante Örtchen zog uns dann aber sehr schnell in seinen Bann. Das Hotel entsprach unseren Wünschen und bot, quasi als Zugabe, einen wunderbaren Blick auf die Elbmündung und den Weltschifffahrtsweg. Wir bestaunten eine sehenswerte Kurpromenade, einen idyllischen Ortskern und, selbstredend, viele Restaurants und Cafés. Das Thalassozentrum mit dem Erlebnisbad Ahoi lässt darüber hinaus keine Wünsche offen. Von Duhnen aus sind Kutschfahrten zur 13 km entfernten Insel Neuwerk mit ihrem historischen Leuchtturm ein weiteres Highlight. Mehr als 120.000 Besucher jährlich können da ja nicht irren. Natürlich geht das alles nur bei Ebbe. Alle zwölf Stunden fällt das Wattenmeer trocken. So, als habe jemand den Stöpsel aus dem Meeresboden gezogen. Und dann ist die Wattlandschaft ein grandioses Erlebnis – Wattwanderungen inclusive. Der Ort liegt für uns aber auch goldrichtig. Mal wandern wir nach Sahlenburg, mal nach Cuxhaven. Manchmal, bereits etwas gehfaul, setzen wir uns auch schon einmal in die Jan & Cuxi Strandbahn, die die Fahrt zwischen der „Alten Liebe“ und Duhnen zu einem großen Vergnügen macht. Sind wir dann aber in Cuxhaven, darf ein Besuch im Fischereihafen nicht fehlen. Dieser Fischereistandort zählt zu den größten seiner Art in Deutschland. Nur wenige Anläufe brauchten wir, bis wir den „Fischhändler unseres Vertrauens“ gefunden hatten, der uns seitdem unterjährig ständig mit frischem Fisch beliefert.

Vielleicht konnte ich Ihnen mit meinem kleinen Reisebericht veranschaulichen, wie sehr wir diese malerische Hafenstadt ins Herz geschlossen haben. Über Vieles ließe sich noch erzählen, bspw. über die kilometerlangen Strände, die alte Festungsanlage, die bemerkenswerte Fauna und Flora und, und, und …  Aber schauen Sie doch einmal selbst vorbei!

Foto und Text: Michael Usadel

Erstmals erschienen im „Schleidener Wochenspiegel“ unter der Rubrik „Schon mal dort gewesen?“.

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