Norwegen

Premiere: Meine Frau und ich hatten eine Kreuzfahrt in den Norden gebucht. Voller Erwartungen bestiegen wir in Hamburg unser Schiff und fuhren durch den Skagerrak, einem Teil der Nordsee, der Westküste Fjordnorwegens entgegen.

Unser erstes Ziel war die Hafenstadt Oslo. Mit mehr als 700.000 Einwohnern ist sie die größte Stadt Norwegens und obendrein Hauptstadt des Landes. Unübersehbar im Hafen das neue, wohl schönste Opernhaus der Welt. Und weitere spektakuläre Gebäude sollten folgen. Gas- und Erdölvorkommen sei Dank! Wir bummelten durch die Festung Akershus zum Königlichen Schloss. Vorbei am Rathaus, in dem alljährlich der Friedensnobelpreis verliehen wird. Und durch die Karl Johans Gate, dem vermutlich bekanntesten Boulevard Norwegens, mit seinen Hotels, Boutiquen, Clubs, Cafés und Restaurants. Wahrlich eine prächtige, pulsierende Kulturstadt, voller unvergesslicher Eindrücke.

Unser nächster Stopp galt dem bezaubernden Städtchen Arendal. Eine pittoreske Altstadt und ein gemütlicher Binnenhafen, Museen, kleine idyllische Inselchen und viele weitere Attraktionen im nahen Umland machen diesen Ort zu einem begehrten Urlaubsziel. Einen perfekten Panoramablick über die Stadt hatten wir von einer Plattform aus, die wir mit einem ca. 60 m hohen gläsernen Aufzug erreichten. Zu Wohlstand gelangten die Arendaler übrigens im 19. Jh., als Eisenerze und Holz zu ihrem Exportschlager wurden. Die Reederei bot einen Landausflug mit deutschsprachiger Führung an, den wir gerne in Anspruch nahmen. Die Dame wusste u. a. zu berichten, dass Trunkenheit am Steuer in Norwegen mit bis zu 30 Tagen Haft, dem Entzug der Fahrerlaubnis sowie einer Geldstrafe von 10 % des Jahreseinkommens geahndet werden kann (!!!). Und dass nicht Columbus, sondern Leif Eriksson Amerika entdeckt hat, sei wissenschaftlich bewiesen.

Am nächsten Morgen erreichten wir Bergen, das Herz der Fjorde, bei trübstem Wetter. Durchaus nicht ungewöhnlich bei 200 Regentagen. Wir nahmen auch hier an einem Ausflug teil, der uns bei aufklarendem Himmel in den historischen Hafen Bryggen, dem lebendigen Zentrum von Bergen, brachte. Häufig hat es in diesem ältesten Teil Bergens gebrannt. Und immer wurde das Hanseviertel wieder aufgebaut. So, wie es war. Und so säumen bis heute bunte Holzhäuser die gepflasterten Straßen, derweil enge Gassen und noch engere Laubengänge den Besucher ins Mittelalter versetzen. Bei unserem Rundgang, der auf dem beeindruckenden Fischmarkt endete, schilderte uns die Stadtführerin sehr anschaulich und unterhaltsam, dass Norwegen leider einmal zu Dänemark gehört habe, dann – ebenso schlimm – den Schweden zugehörig war und erst ab Anfang des 19. Jh. als Monarchie autonom wurde. Stolz erklärte sie, dass Norwegen seinen Strom zu 88 % aus Wasserkraftwerken und den Rest aus Windrädern bezieht. (Obwohl, bei etwa 5,7 Millionen Menschen vielleicht nicht ganz so schwierig.) Und auch vernahmen wir, dass die Landwirte ca. 60 % ihres Einkommens aus staatlichen Subventionen erhalten – auch ohne Demos!

Die Perle der Norwegischen Fjorde, der Geirangerfjord, empfing uns ebenfalls wolkenverhangen. Etwa 15 km fuhren wir durch die beeindruckendste Schiffsroute der Welt und gingen vor dem Ort Geiranger auf Reede. Tenderboote brachten uns ans Ufer. Dort wartete ein Fahrer, der unseren Bus auf einer atemberaubenden, denkbar schmalen Serpentinenstraße hinaufchauffierte zu dem 1.030 m ü. M. gelegenen See Djupvatnet.  Nach einer kleinen Rast setzte dieses Fahrgenie noch einen drauf und fuhr mit uns eine mautpflichtige Privatstraße bergauf zum 1.476 m hohen Gipfel des Dalsnibba. Immerhin der höchste Ort Norwegens, der mittels einer Straße erreicht werden kann. Klar, einmalig war die Aussicht dort oben. Und doch fiel allen ein Stein vom Herzen, als wir wieder unbeschadet unten in Geiranger eintrafen. Nach dem Besuch des Norsk Fjordsenter–Museums bestiegen wir wieder den Bus und staunten nicht schlecht, als uns die Reiseleiterin eröffnete, der Ausblick von der Adlerkurve auf den Fjord, auf Geiranger und auf den Wasserfall „Die sieben Schwestern“ sei unbezahlbar und den wolle sie uns natürlich nicht vorenthalten. Wir überwanden auf der äußerst schmalen Adlerstraße mit 11 Haarnadelkurven und einer Steigung von 10 % ca. 400 Höhenmeter und erreichten nach mehreren halsbrecherischen Ausweichmanövern den Aussichtspunkt Ornesvingen. Und tatsächlich: Vor uns lag ein imposantes Panorama. Gut, bei den beiden Berg- und Talfahrten war es außergewöhnlich still im Bus, so dass die Reiseleiterin ungestört sehr viel über Norwegen berichten konnte. Und so erzählte sie neben vielem anderen, dass die Norweger schon zwei Mal gegen den Beitritt zur EU gestimmt haben. Auch leistet es sich das Land, seinen Bürgern die Einkommensteuer für den Dezember zu halbieren, damit die Weihnachtsgeschenke etwas üppiger ausfallen können (Man stelle sich die Entrüstung des deutschen Finanzministers vor!). Die Küste Norwegens hat eine Länge von ca. 2.500 km, kommt aber mit allen Fjorden und Buchten auf stolze 29.000 km. Der Ausschank von Alkohol ist an Sonn- und Feiertagen erst ab 13.00 Uhr gestattet (Ein Glück, dass diese Regel nicht auf den Kreuzfahrtschiffen gilt). Um viele lustige, aber auch interessante Infos reicher, kehrten wir zurück zum Hafen und fuhren mit dem Pendelboot unserem Schiff entgegen.

Nur Kirche und Gefängnis waren von dem furchtbaren Feuer Anfang des 19. Jh. in Älesund verschont geblieben. Dagegen brannten über 800 Häuser nieder und tausende Menschen wurden obdachlos. Und alles nur, weil in einer Fabrik ein Petroleumlicht umstürzte. Kaiser Wilhelm II. liebte Norwegen und schickte vier Kriegsschiffe mit allem Notwendigen. Nach Löschen der Ladungen dienten die Schiffe dann vorübergehend als Notunterkünfte. Dankbar wurde dem Kaiser ein Denkmal gesetzt und u. a. eine Straße nach ihm benannt. Junge, tüchtige norwegische Architekten bauten die Stadt in nur wenigen Jahren im Jugendstil wieder auf. Heute ist Älesund für jeden Besucher eine Augenweide. Wir schlenderten durchs Hafenviertel und die Altstadt, vorbei an prächtigen, buntfarbigen Gebäuden mit kleinen Türmen, Erkern und üppigen Stuckarbeiten. Den Aufstieg zum Stadtberg Aksla über eine Treppe sparten wir uns dann aber und tauschten die mehr als 400 mühsamen Stufen gegen ein Taxi. Wir wurden mit einem gewaltigen Ausblick belohnt.

Eine der attraktivsten Küstenstädte Norwegens ist Stavanger. Diesen Landgang hatte sich die Reederei bis zum Schluss aufgehoben. Natürlich waren wir gewarnt: Sturmtiefs, Golfstrom, Atlantik – nicht einmal die Norweger verstehen ihr Wetter. Dass an einem Tag alle vier Jahreszeiten über einen hereinbrechen, kennt man hier zu genüge und nimmt es gelassen. Wir kannten das nicht. War auch der Himmel grau, so kletterten wir zuversichtlich die Gangway hinab, verließen den Liegeplatz unseres Schiffes – und waren nach 10 Minuten völlig durchnässt wieder zurück. Den zweiten Anlauf gestalteten wir klüger, wir passten uns an. Die Wolkenbrüche kamen unregelmäßig und dauerten nicht so sehr lange. In trockenen Phasen machten wir dann Strecke. Manches Foto entstand im Schutze des Regenschirmes. Und so lernten wir Stavanger kennen. Nass, aber schön. Wir wanderten durch das Altstadtviertel Gamle Stavanger mit den charakteristisch weiß gestrichenen Holzhäusern. Auch die Ovre Holmegate, bei den Einheimischen eine sehr beliebte Straße, lernten wir kennen. Diese grellbunte Straße ist entstanden auf Grund der Initiative eines Frisörs, der seine bis dahin äußerst langweilige Stadtgasse mit Farbe exzessiv aufpeppen ließ.

Am Ende der Reise fiel uns dann aber doch auf, dass wir keine der landesüblichen Tiere gesehen hatten. Weder Rentiere, noch Polarfüchse noch Vielfraße. Aber nicht ausgeschlossen, dass uns der eine oder andere der letzteren Gattung am Buffet schon einmal begegnet war …

Die Reederei hatte den letzten Tag auf See der Entspannung gewidmet. Bei vier Meter hohen Wellen war das meiner Frau und manch anderem Passagier aber nicht immer möglich. Und so leuchteten an etlichen Kabinentüren die roten (Bitte nicht stören) – Lämpchen.

Unsere wunderbare, informative und spannende Kreuzfahrt endete, wo sie begonnen hatte: im Hamburger Hafen. Glücklich, dankbar und sehr zufrieden traten wir die Heimreise an und sind uns jetzt schon sicher: nach der Reise ist vor der Reise.

Foto und Text: Michael Usadel

Erstmals erschienen im „Schleidener Wochenspiegel“ unter der Rubrik „Schon mal dort gewesen?“.

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