Zons

Dass sein Geschenk die Kirchengemeinde St. Martinus in Zons für viele Jahre in Atem halten würde, hatte Kaplan Ankenbrandt bestimmt nicht erwartet. Seine Gabe im Jahr 1813 war eine ca. einen Meter große, in blaue Seide gekleidete Madonnenstatue mit dem Jesukind auf dem Arm. Sie fand ihren Platz in der Pfarrkirche und wurde als „Blaue Madonna“ fortan mit ins Gebet eingeschlossen. Nicht 10 Jahre später wurde Zons von einer verheerenden Trockenheit, verbunden mit einer schlimmen Mäuseplage, heimgesucht. Nach tagelangen Gebeten zur Blauen Madonna ließ das Unheil überraschend nach. Und obendrein wurde ein Bub völlig unerwartet von einer bösen Krankheit geheilt. Das sprach sich herum und in kürzester Zeit wurde Zons von gläubigen Pilgern überrannt. Pfarrer und Bürgermeister, gleichermaßen stets klamm, freuten sich über den plötzlichen Geldsegen, bis das argwöhnische Generalvikariat der Blauen Madonna die guten Taten absprach und sie eiligst auf den Dachboden des Pfarrhauses verbannte. Dort blieb sie 35 Jahre, bis sie – quasi begnadigt – unter großem Jubel in die Kirche zurückkehrte. Heute, es ist ruhig um sie geworden, hat sie ihren Platz in der Kapelle am Rheinturm gefunden.

Schon die Römer erbauten im 3. Jh. n. Chr. am Standort des heutigen Zons ein Kastell. Im 14. Jh. dann befand der Erzbischof von Köln diesen Ort für seine Zwecke ebenfalls als trefflich geeignet, verlegte dorthin das Amt für den Rheinzoll und umgab das kleine Dorf mit wehrhaften Mauern. Nach langer, bewegter Geschichte gehörte Zons dann 20 Jahre zu Frankreich, schließlich zu Preußen – und heute zu Dormagen.

Meine Frau und ich brauchten eine gute Stunde bis Zons und staunten nicht schlecht. Ein Städtchen wie aus dem Bilderbuch. Kaum, dass wir die kleine Stadt durch das Rheintor betreten hatten, fühlten wir uns ins tiefste Mittelalter versetzt. Eigentlich fehlten nur die Bauern, Marktfrauen, Landsknechte und Minnesänger. Dieser kleine Ort lockt mit einer faszinierenden Mischung aus alten Ziegel- und Fachwerkbauten sowie wunderschön restaurierten Wohnhäusern aus dem 19. Jh. Liebevoll gepflegte Blumenkästen an den meist farbig abgesetzten Sprossenfenstern, oft versehen mit klassischen Fensterläden, geben den Häusern eine bezaubernde, anheimelnde Note. Zu Recht trägt Zons den Beinamen „Rothenburg des Rheinlandes“. Wir streiften durch die hübschen Straßen und schmalen Gassen und standen ständig vor neuen Sehenswürdigkeiten. Unübersehbar die Stadtmauer mit ihren zwei achteckigen Wachtürmen (gen. Pfefferbüchsen), ihrem Zollturm mit dem Zollhaus, dem Mühlenturm als Wahrzeichen der Stadt und dem Krötschenturm. Bald erreichten wir die Burg Friedestrom mit ihrer sehenswerten Parkanlage, begrenzt durch den 35 Meter hohen Juddeturm mit seiner Barockhaube (vermutlich benannt nach dem alten Patriziergeschlecht Judde). Der Turm diente einst u. a. als Schatzkammer, dann als gefürchtetes dunkles, feuchtes Verlies, dann als Richtersaal und evtl. auch einer Niederlassung des Ordens der Templer. Wir kehrten in einem gemütlichen Gartencafé ein und bummelten anschließend durch kleine Kunstläden und Souvenirgeschäfte, bis wir den Schweinebrunnen erreichten. Er erinnert mit seinen bronzenen und steinernen Skulpturen an die „Zonser Schweinefehde“ aus dem 16. Jh., bei der Soldaten des Kölner Erzbischofs eine Herde mit 50 Schweinen stahlen und der Würdenträger diese erst nach größtem Protest bezahlte.

Nach so viel Mittelalter machten wir noch einen kleinen Spaziergang durch die angrenzenden Auen bis zum Rheinufer. Von dort aus hat man einen prächtigen Blick auf dieses kleine anmutige Schatzkästchen.

Foto und Text: Michael Usadel

Erstmals erschienen im „Schleidener Wochenspiegel“ unter der Rubrik „Schon mal dort gewesen?“.

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